Bericht aus St. Galler Tagblatt, Stephanie Wilmes

 

Fiona Helg hat ihre Maturaarbeit über Insekten als Nahrungsmittel geschrieben. Sie weiss jetzt, wie man Spaghetti Bolognese mit Mehlwürmern kocht. Nun wurde sie mit einem Preis ausgezeichnet.

Ananasreis ist das Lieblingsmenü von Fiona Helg, Kochen eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Das Rezept kennt sie auswendig: «Man befüllt eine halbe Ananas mit gebratenem Reis, Eier und Knoblauch. Gar nicht schwer und mega fein», sagt die 19-Jährige. Tönt exotisch, aber es geht noch aussergewöhnlicher. Die Rorschacherbergerin hat eine Maturaarbeit zum Thema «Insekten als Nahrungsmittel» geschrieben. Mit ihrer Untersuchung hat Helg den ersten Preis bei einem Wettbewerb der Ostschweizerischen Geographischen Gesellschaft gewonnen. Der Sieg kam für Helg eher überraschend. Als Preis gab es einen Interrail-Gutschein. Damit will sie mit Freundinnen Europa entdecken.

 

 

Spaghetti Bolognese mit Mehlwürmern

 

Die 19-Jährige interessiert sich seit Langem für Ernährung und Nachhaltigkeit. Darum setzte sie sich mit dem Thema Insekten als Fleischersatz auseinander. Für ihre Arbeit hat sie Kochexperimente mit fünf Probanden durchgeführt. Sie pürierte tiefgefrorene Mehlwürmer und machte daraus die Sauce für Spaghetti Bolognese. Helg zeigt ein Bild in ihrer Maturaarbeit: Ein Gericht, das einer Bolognese mit Rindfleisch ziemlich nahekommt. Die Reaktionen der Testesser waren für die junge Frau eine positive Überraschung. Drei der fünf Probanden hätten den Unterschied zum Rindfleisch nicht bemerkt. Das grösste Problem sei aber eher der Gedanke daran, dass man Insekten isst. Es brauche vor allem eine mentale Überwindung.

 

Während der ganzen Arbeit hat die Rorschacherbergerin sich nur einmal vor den Insekten geekelt: «Als ich das erste Mal die tiefgefrorenen Mehlwürmer aus der Packung nehmen wollte, sind mir alle verspickt. Die Würmer waren überall. Ich musste sie einzeln aus der Besteckschublade nehmen und zwischen dem Geschirr suchen.» Nach den Startschwierigkeiten lief es danach aber gut. Helg fand in ihrer Arbeit heraus, dass das Kochen mit Insekten gar nicht so schwierig ist. Erfahrung brauche es keine, um ein Gericht mit Mehlwürmern oder Grillen vorzubereiten. Auch die Offenheit gegenüber dem Thema hat sie positiv überrascht. «Sogar meine Oma hat die Insektengerichte probiert.» Empörung über die Züchtung und Tötungsmethoden der Insekten gebe es in der Ostschweiz eher weniger. Generell sei das Mitleid tiefer als bei Säugetieren. Ein möglicher Grund: Insekten besitzen kein zentrales Nervensystem und haben daher kein Schmerzempfinden. Belegt hat die 19-Jährige auch, dass Insekten nachhaltiger und gesünder sind als Tierfleisch. Seit dem 1. Mai 2017 sind in der Schweiz drei Insektenarten zum Konsum zugelassen: Grillen, europäische Wanderheuschrecken und Mehlwürmer.

 

Helg besitzt auch zwei Insektenkochbüchern. Von Lollis mit Mehlwürmern über frittierte Heuschrecken bis hin zu Gourmetmenüs, die aussehen wie in einem 5-Sterne-Restaurant. Am liebsten würde sie die Nudelpfanne mit Heuschrecken nachkochen. «Die ist noch anmächelig», sagt Helg. Das einzige Problem sei, dass die sogenannten Gourmetbugs nicht ganz so billig sind. «Es ist halt immer noch ein Nischenprodukt.»

 

Erhältlich sind die Insektenprodukte zum Beispiel bei Coop. Am Anfang der Lancierung, im August 2017, hätte es einen regelrechten Run auf die Produkte gegeben, teilt Coop auf Anfrage mit: «Artikel waren immer wieder mal ausverkauft.» Die Insektenprodukte Burger, Balls und Riegel seien in der Ostschweiz mittlerweile in neun Verkaufsstellen erhältlich. «Die Nachfrage und somit die Verkaufszahlen haben sich auf einem erfreulichen, stabilen Niveau eingependelt.» Konkrete Zahlen werden von Coop nicht kommuniziert. In der Migros sind Insekten als Nahrungsmittel noch nicht erhältlich, heisst es auf Anfrage. Auch für Gastro Suisse sind Insekten als Nahrungsmittel ein Thema. Man begrüsse grundsätzlich die liberale Haltung gegenüber dem neuen Lebensmittel. «Aus unserer Sicht entwickeln sich Angebot und Nachfrage bei den Insekten als Nahrungsmittel noch sehr zurückhaltend», schreibt der Verband. Bei Interesse werden Kochkurse zum Thema Insekten angeboten. Die Bestimmungen zur gastronomischen Verarbeitung der Insekten stützen sich auf das Gesetz zum Insektenkonsum.

 

Süsses statt Insekten in Portugal

Als Nächstes darf die Ostschweizerin den Stress der Prüfungen hinter sich lassen. Für die Maturareise geht es nach Lissabon. Insekten wird sie dort aber kaum essen. «Es ist vor allem in Ländern spannend, wo Insekten Bestandteil der traditionellen Ernährung sind.» Gerne würde sie deshalb einmal nach Thailand reisen. Zuerst wird sie noch in den Genuss von portugiesischen Spezialitäten wie Bacalhau, Muscheln und Süssgebäck kommen. Über ihre Pläne danach ist sich Helg noch nicht sicher. Medizin interessiert sie, am liebsten an der Uni Zürich. Dort würde sie dann gern in einer WG wohnen. «Falls das klappt, würde ich meine Mitbewohner sicher auch mal mit Insektenmenüs bekochen.»