Aus St. Galler Tagblatt, Nina Rudnicki
Für ihre Maturaarbeit über Foodwaste hat die St. Galler Kantonsschülerin Paula Zimmermann einen Preis erhalten. Ihre Erkenntnis: Bezüglich Lebensmittelverschwendung schätzen sich viele besser ein, als sie sind.
Ist das Haltbarkeitsdatum überschritten, landet das Joghurt schnell im Abfalleimer. Genauso ergeht es dem harten Brot vom Vortag und dem welken Gemüse, das im Kühlschrank vergessen wurde. 300 Kilogramm Lebensmittel werden hierzulande jährlich pro Kopf weggeworfen. Wieso das so ist und wie sich die St. Gallerinnen und St. Galler bezüglich Lebensmittelverschwendung einschätzen, hat die Kantischülerin Paula Zimmermann in ihrer Maturaarbeit untersucht. Diese hat den Titel «Foodwaste: Lebensmittelverschwendung in Haushalten – eine Untersuchung in der Region St. Gallen» und wurde von der Ostschweizerischen Geografischen Gesellschaft St. Gallen mit dem Maturaarbeitspreis ausgezeichnet.
«Ich wollte mehr machen, als einfach eine Arbeit schreiben, die dann in einem Regal landet», sagt die 18-Jährige. Eine Woche ist es her, dass sie den Preis erhalten hat. Aktuell steckt sie mitten in den Vorbereitungen für die Maturaprüfungen. Im August wird sie dann für zwei Monate nach Griechenland reisen und unter anderem in einem Flüchtlingscamp arbeiten. Und im nächsten Frühjahr will sie nach Afrika, um dort in einer Schule oder einem Kinderheim zu arbeiten. In welches Land sie reisen wird, ist allerdings noch offen. Fest steht einzig, dass es französischsprachig sein soll. Danach plant Paula Zimmermann, Jura mit Schwerpunkt Menschenrecht und humanitäres Völkerrecht zu studieren. Auf die Frage, woher ihr Interesse und ihr Engagement für gesellschaftlich brisante Themen komme, zuckt sie die Schultern und denkt eine Weile nach. Schliesslich sagt sie: «Wer sich engagiert, lernt immer auch etwas, wie etwa zu organisieren oder Verantwortung zu übernehmen.»
Mit der Schwester auf Container-Tour
Die Motivation, die von Paula Zimmermann ausgeht, hat auch die Jury des Maturaarbeitspreises überzeugt. Dass sie selbst «containern» ging, also in Abfall-Containern nach Lebensmittel suchte, und dabei der bitteren Ausgangslage ins Auge geblickt habe, habe beeindruckt, heisst es etwa in der Laudatio. Das «Containern» stand denn auch am Anfang ihrer Foodwaste-Arbeit. Ihre ältere Schwester nahm sie mit auf eine Tour zu den verschiedenen Grossverteilern in der Region. Dort durchsuchten die beiden die Container nach entsorgten Lebensmitteln. «Es ist extrem, wie viel weggeworfen wird», sagt Paula Zimmermann. «Überrascht hat mich allerdings, dass nicht im Detailhandel und im Gastrogewerbe am meisten weggeworfen wird, sondern in den Haushalten. Das war für mich ein Aha-Moment.»
Basierend auf dieser Tatsache, arbeitete die St. Gallerin einen Fragenkatalog aus und verschickte den entsprechenden Link online. 300 Personen machten mit und beantworteten die Fragen zu den drei Themenbereichen Selbsteinschätzung, Wissen zu Foodwaste und Massnahmen gegen Foodwaste. Paula Zimmermann wollte beispielsweise wissen, wie viel die Befragten wegwerfen, ob sie die Bedeutung des Haltbarkeitsdatums kennen, ob sie wissen, in welchem Industriezweig der Lebensmittelbranche am meisten verschwendet wird. Die Erkenntnis: Die meisten der befragten St. Gallerinnen und St. Galler beurteilten ihr Konsumverhalten als nachhaltig. «Das entspricht aktuellen Studien, die aufzeigen, dass gerade 40- bis 60-jährige Personen sich oftmals zu gut einschätzen», sagt sie.
Omas wissen noch, wie man Reste verwertet
In ihrer Maturaarbeit hat sie daher auch Lösungsansätze erarbeitet, wie sich Foodwaste reduzieren lässt. Weil viele Lebensmittel direkt vom Feld in den Abfall wandern, da sie nicht der Norm entsprächen, könnte man Kinder-Gartenprojekte fördern, sagt Zimmermann. «Die Kinder würden dann von klein auf lernen, wie aufwendig es ist, bis ein Salat gewachsen ist.» Zudem müsste man den Hauswirtschaftsunterricht in allen Schulen anbieten und dort den Fokus auf Resteverwertung legen. «Meine Oma kann aus allem etwas Neues zaubern. Aber wer macht das heute noch? Wir leben im Überfluss.»
Nach ihrer Matura würde sie daher gerne entweder mit Kindern gärtnern oder Resterezepte zusammenstellen. «Ich koche wahnsinnig gerne. Aber ein hippes Reste-Kochbuch habe ich bislang noch nicht entdeckt.»